Sie sind hier
Geschichten aus dem Lauterbacher Anzeiger

Von Stockschlägen, Ohrfeigen, Hieben etc.

Etwas über den Nutzen und die Taxe von Stockschlägen, Ohrfeigen, Hiebe etc. bei verschiedenen Völkern(1)

Getreu dem Untertitel "zur Belehrung, Erheiterung und Benachrichtigung" des damals Lauterbacher Wochenblatt(2) genannten Vorläufers unserer Regionalzeitung beschreibt ein Artikel aus dem 3. Jahrgang im Jahr 1836 die Anwendung und Wirkung von Körperstrafen in verschiedenen Kulturen und zu unterschiedlichen Zeiten.

Beschrieben werden sowohl medizinische Einsätze (materia medica) – von Kolik über Kopfweh, Lungengeschwür und sogar der Wiederbelebung von Ertrunkenen – über disziplinarische Maßnahmen in Erziehung und Militär bis zum Einsatz in der Ehe:

Drisch deine Frau und dein Korn brav durch, sagte Sancho, und alles wird gut gehen.

Besonders interessant ist ein Abschnitt, in dem es um die psychologische Wirkung unterschiedlicher Strafen geht. Zunächst wird aus Montesquieus Werk über die Gesetze berichtet, dass man bei den alten Persern nicht die Leute, sondern nur die Kleider mit Stockschlägen bestraft habe, und daß Manche sich diesen Schimpf so zu Gemüthe gezogen, daß sie sich das Leben genommen hätten. Nach weiteren Darstellungen der Anwendung von Prügelstrafen im Zusammenhang mit Kleidern wird eine Erklärung dafür angeboten, welchen Effekt das Prügeln oder Auspeitschen von Kleidern oder ohne Kleider haben könnte: Die Ursache ist nicht schwer einzusehen. Der Schmerz giebt der Strafe das Ansehen von Rache, und die Rache dem Missethäter ein Ansehen von Wichtigkeit. Auch erweckt Schmerz Mitleiden des Zuschauers, und dieses ist allezeit für den Missethäter aufmunternd. Beim Schimpf ist nichts von dem; er ist der Justiz, was die Verachtung eines Gegners, dem man sich überlegen fühlt, im gemeinen Leben ist.

Zuletzt geht es um unterschiedliche Formen von Ohrfeigen (hier: die "manumittierende" mit der Hand verabreichte), und damit deren lossprechende oder rächende, mit der positiven oder negativen Seite der Hand gegebene – ihre Bedeutung und die Strafen, die dafür zu entrichten waren. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass sich eine Strafe nach dem Werthe der Ohren richtet, die sie trifft. Auch hier findet sich eine Begründung: Die mit dem Rücken der Hand sind nicht so schimpflich und nicht so theuer; vielleicht, weil die mit der flachen Hand gemeiniglich mit größerem Vorsatz gegeben werden.

Der Autor des im Jahre 1808 erstmals veröffentlichten Aufsatzes war der Naturforscher, Mathematiker und Philosoph Georg Christoph Lichtenberg (*1742, * 1799). 

Ob dieser den Text als "Auftragsarbeit" für eine Zeitung verfasste oder als eine reine Beschreibung in seinem Fachgebiet der Naturforschung, ist nicht klar. Schließlich hat er sich zum moralischen „Wert“ solcher Züchtigungsmaßnahmen nicht geäußert.

Andererseits hat Lichtenberg als achtfacher Vater sich durchaus Gedanken über Erziehungsmethoden gemacht. Von ihm stammt der Ausspruch: Allzu sorgfältige Erziehung liefert Zwergobst.

Auch wenn uns Heutige dieser als "Belehrung" dargebotene Text des Lauterbacher Wochenblatts eher erheitert, so wollen wir doch nicht vergessen, dass die Prügelstrafe an unseren Schulen bis in die zweite Hälfte  des 20. Jahrhunderts noch recht gängig war. Zu Überheblichkeit gegenüber unseren Vorfahren und ihren Sitten gibt es keinen Anlass.


Fußnoten

1) von G.C. Lichtenberg. Der ganze Artikel aus dem Lauterbacher Wochenblatt von 1836 ist als Bild beigefügt.

2) Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Lauterbacher_Anzeiger   Der heutige Lauterbacher Anzeiger erschien erstmals am 4. Januar 1834 als Lauterbacher Wochenblatt mit dem Untertitel zur Belehrung, Erheiterung und Benachrichtigung.https://de.wikipedia.org/wiki/Lauterbacher_Anzeiger#cite_note-Lauterbacher_Anzeiger-2 Gründer und erster Herausgeber war Johannes Meyer, der aus Büdingen stammte. Zu Ende des Jahres 1848 erhielt das Blatt seinen heutigen Namen.

Das könnte Sie interessieren

Balthasar Jost

Erhalten Sie einen Einblick in die Geschichte eines Auswanderers und seine Erlebnisse in Nordamerika. Mehr erfahren

Verordnung zum Eichwesen

Eine kommentierte Auseinandersetzung mit der hessischen Verordnung zum Eichwesen aus dem Jahre 1788. Mehr erfahren

Früher/Heute

Eine Gegenüberstellung der Grebenhainer Straßen und Häuser, mit teils über 100 Jahre alten Schwarz/Weiß-Fotografien. Mehr erfahren