Den Anfang dieser amtlichen Verordnung macht die Aufzählung des Gesetzgebers LUDWIG, Landgraf zu Hessen mitsamt all seinen aktuellen Titeln, die den Geltungsbereich der Verordnung umfassen - und wohl auch die jeweilige Leserschaft, vor allem die Staatsbediensteten wie Bürgermeister oder Schultheißen beeindrucken sollte. Zum Zeitpunkt der Herausgabe dieser Anordnung im Mai 1788 nannte sich der hessische Regent Landgraf zu Hessen-Darmstadt.
Das „etc.“-Zeichen im Text bedeutet, dass diese Kurzfassung des Titels nicht als vollständig anzusehen ist und alle Titulierungen weitere Rechte einschließen und deshalb von den Untertanen einschließlich der Staatsbeamten genauestens zu befolgen sind.
Das Problem des Landgrafen waren die um Laufe der Jahre unvermeidlich eintretenden Unterschiede bei Gewichten, die mit der Zeit durch den häufigen Gebrauch leichter wurden und im Handel vor allem mit „ausländischen“ -also außerhessischen- Händlern zu Unstimmigkeiten führen konnten. Dies durfte nicht geduldet werden.
In sechzehn Punkten wird detailliert das Verfahren zur Verbesserung dargelegt – in einer durchaus klaren Sprache, bei der heutige Bürgermeister oder Verwaltungsangestellte neidisch werden könnten.
Sollen auch weiterhin dreierlei Gewichte Verwendung finden, das leichte oder Silbergewicht, das schwere oder Landgewicht und das Wollgewicht. Das Verhältnis der Gewichte zueinander ist festgelegt.
Wird bestimmt, welche Waren mit welchem Gewicht aus den drei Gewichtsklassen gewogen werden soll.
Sollen die Eichämter mit ihren vorhandenen geeichten Gewichten alle vorgelegten Gewichte nachprüfen können.
Der Personenkreis, der zur Kontrolle und Berichtigung gefugt ist, wird in jedem Landesteil genau bestimmt. Wenn kein kenntnisreicher Schlosser vorhanden ist, soll ein brauchbarer Handwerker zur Korrektur der Waagen und Gewichte unter den Augen der örtlichen Obrigkeit diese Arbeit machen.
Alle geeichten Gewichte erhalten einen Stempel, und zwar derart, dass der Stempel „nicht abgerieben, oder sonst unkenntlich gemacht werde.“
Ander Typen von Waagen müssen, wenn Fehler festgestellt und diese nicht verbesserbar sind, sofort vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
Neu angeschaffte Waagen oder Gewichte dürfen erst nach der Eichung genutzt werden. Außerdem sollen Krämer, Bäcker und Metzger diese Geräte in der Eichstätte alljährlich gebührenpflichtig kontrolliert werden.
Jedes Eichamt hat einen speziellen Eichstempel aus Stahl „mit einem kleinen Löwen und den Anfangsbuchstaben des Orts, wo die Eichstätte ist“ vorzuhalten und gegen missbräuchliches Benutzen zu schützen.
Die Gebühren für den Messvorgang wird genau beziffert, ebenso der Verteilmodus für die beteiligten Amtspersonen.
Sollte ein Eichstempel oder „Muttergewicht“ defekt sein, muss unaufgefordert eine Überprüfung in der landgräflichen Eichstätte veranlasst werden.
In verschiedenen Amtsbezirken wie Braubach, Boppard, Katzenelnbogen wird diese Verordnung vorerst nicht angewendet; als Grund dafür werden „bewegende Ursachen“ angegeben. Welches dies Ursachen sein könnten, wird nicht genannt. Erbstreitigkeiten, juristische Streitfälle, Probleme der Grenzziehung? Wir wissen es nicht.
Bei Versäumnissen der Eichfristen etc. wird die Justiz „mit aller Strenge und ohne Ansehen der Person verfahren“.
„Damit Niemand mit der Unwissenheit sich entschuldigen möge“, so soll diese Verordnung nicht nur bei den einzelnen Ämtern bekanntgemacht, sondern auch „alljährlich bey versammelten Gemeinden daselbsten zu wiederholen“ sei.
Beurkundet , eigenhändig vom Landgrafen unterschrieben und mit „beygedruckten Fürstlichen geheimen Insiegels“ wurde die Verordnung am 27. Mai 1788 veröffentlicht.
Darunter steht handschriftlich ein Vermerk, dass der Schultheiß zu Crainfeld dieses Schreiben zu veröffentlichen habe und ein Termin zur Eichung bei der Eichstätte zu Nidda zu bestimmen sei.
Unterschrieben mit „Vogt“ (Georg Carl Vogt war in dieser Zeit Schultheiß und Schreiber der landgräfl. Finanzverwaltung in Nidda mit Lißberg (Archivinformationssystem arcinsys.hessen.de)
Das Datum des Vermerks ist der 14. August 1788 – somit war das Schreiben „auf dem Dienstweg“ doch einige Monate unterwegs.