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Eisenerzeugung in vorindustrieller Zeit

Eisenerzeugung – Ein Blick in die Vergangenheit

Im Gegensatz zu fast allen populärwissenschaftlichen Darstellungen zur Vor- und Frühgeschichte - auch in TV-Sendungen wie Terra X  - handelt es sich beim Gewinnungsprozess der Gebrauchsmetalle - Kupfer, Zinn, Eisen usw. - nicht um ein "Herausschmelzen" des Metalls aus dem Gestein durch Erzeugung von Hitze mithilfe von Holzkohle als Brennstoff! Das wäre ein physikalischer Vorgang, wie es etwa beim "Auslassen" von Fett geschieht. 
Geschmolzen ist in den Rennfeuern nicht das Eisen, sondern das mit dem Erz vermischte, aber erzfreie Gestein, das dadurch unten aus dem Rennofen als Schlacke herausrann ("Rennofen").
Reines Eisen hat eine Schmelzpunkt von fast 1540° C, was mit einem Holzkohlefeuer nicht erreichbar ist - auch nicht mit Unterstützung  einfacher Blasebälge! Die glühende Kohle und das beim Verbrennen entstehende Kohlenstoffmonoxid sind in den Rennöfen wie in modernen Hochöfen vor allem Reaktionspartner in einer chemischen Reaktion, in der dem Eisenoxid der Sauerstoff entzogen und an den Kohlenstoff gebunden wird. Dabei entsteht Kohlenstoffdioxid, das weiter oben in der nächsten glühenden Kohlenschicht wieder zu Kohlenstoffmonoxid reduziert wird und so selbst erneut Eisenoxid "reduzieren" kann. Dadurch bleibt Eisen zurück - in den historischen Rennöfen in festem, teigigem Zustand - vermischt mit Gesteinsresten, die durch Ausschmieden entfernt werden mussten.
Weitere ausführliche Informationen zur Geschichte der Waffentechnik liefert u.a. Wikipedia: de.wikipedia.org/wiki/Damaszener_Stahl
Auch in modernen Hochöfen findet die eigentliche Eisengewinnung im oberen Bereich des Hochofens bei Temperaturen ab ca. 400 bis unter 1000° C. statt, also deutlich unterhalb des Schmelzpunkts von Eisen.
Eine umfassende Darstellung des Hochofenprozesses mit den Reaktionsgleichungen der Prozesse im Hochofen ist z.B. hier zu finden:
www.seilnacht.com/Lexikon/hochofen.html
Erst ab dem 12. Jahrhundert wurden durch wassergetriebene Blasebälge Temperaturen erzeugt, die auch das Eisen zum Schmelzen brachten.
Das war aber ein damals sehr unerwünschter Effekt, denn dabei gewann man nicht mehr Schmiedeeisen wie in den früheren Rennöfen, sondern kohlenstoffreicheres Roheisen wie in modernen Hochöfen. Das war zwar druckfest und sehr hart, aber spröde, bruchanfällig und nicht mehr schmiedbar. Deshalb nannte man es auch "Dreckseisen" oder im Englischen "pig iron", also "Schweineeisen". Denn es war nur durch Gießen in nutzbare Formen zu bringen und zum Schmieden nicht mehr geeignet.
Erst durch die Erfindung des "Puddelns" - andauerndes Rühren des flüssigen Eisen mit langen Stangen, um Sauerstoff einzutragen und so den Kohlenstoff teilweise wieder zu verbrennen - konnte dieser erhöhte Kohlenstoffgehalt gesenkt und so schmiedbares Eisen wie in den alten Rennöfen gewonnen werden.
Den Eiffelturm etwa, für den in enormen Mengen Stahl benötigt wurde, gäbe es nicht ohne diesen technischen Fortschritt - übrigens auch nicht ohne den Einsatz von Steinkohle, die wegen der weitgehenden Abholzung der Wälder den Mangel an Steinkohle ersetzen musste.
Noch heute sind England, Schottland und Irland waldarm. was nicht ihrem natürlichen klimatischen Zustand entspricht. Auch in unserer Region war etwa der Taunus am Ende des Mittelalters komplett waldfrei, was in Deutschland daraufhin zur Entwicklung der noch heute praktizierten "nachhaltigen Waldwirtschaft" führte.
Eine sehr gründliche Darstellung zur historische Entwicklung der Eisenerzeugung ist hier zu finden:
[Geschichte_der_Eisenhüttentechnik]
Weitere Informationen zu Entstehung der nachhaltigen Waldwirtschaft in Deutschland finden Sie hier: [Nachhaltige_Forstwirtschaft]
Die germanische Sage von "Wieland dem Schmied" stellt sachlich korrekt, aber nur mit entsprechenden Fachkenntnissen erkennbar die Härtung von ursprünglich recht weichem, deshalb für Schwerter weniger geeignetem  Schmiedeeisen zu hartem, waffenfähigem Stahl dar - und zwar durch Verwendung von Gänsekot. Ein chemisch ganz ähnliches Verfahren gibt es noch heute! Man nennt es "Nitrierung" und setzt dafür anstelle des Gänsekots sogenannte Nitriersalze ein.
Für uns heute erstaunlich und kaum vorstellbar: Die Schmiede von der Vorgeschichte bis in die beginnende Neuzeit fanden diese und weitere Methoden zur Metallgewinnung und Stahlhärtung ohne jegliche Kenntnisse der chemischen Hintergründe heraus, nur durch Beobachten und Probieren! Die chemischen Grundlagen der Matallurgie wurden erst schrittweise ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrunderts entwickelt!

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