1896 Neubau einer Scheune und eines Vieh- und Schweinestalles
Dazu sind 17000 Russensteine gebracht worden, die ersten Steine wurden wurden am 28. März 1896 mit dem Wagen von Vaitshain geholt. Das Tausend kostet 27 Mark.
459 M
Am 23. März wurde der erste Kalk von Müs angefahren. Bauern aus Grebenhain haben ihn angefahren und zwar:
23. März
| Heils | 20 htl(2) |
4. Mai
| Heils | 20 htl |
19. Juni | Weitzel | 9 htl |
14. Aug. | Herchenröder | 9 htl |
|
| 96 htl à 1,10 = 105 M 60 Pfg |
Auch der Sand wurde in Nachbarschaftshilfe angefahren und zwar der erste Wagen am 31. März durch
H.Gans 9. | 1 Wagen |
L. Schultheis und L. Lind | 1 Wagen |
Joh. Müller | 1 Wagen |
K. Strauch | 1 Wagen |
L.Herchenröder und Schusterbaste | 1 Wagen |
Heils | 1 Wagen |
Stürze und Nickels | 1 Wagen |
zusammen | 7 Wagen |
Weitere Sandfuhrleute vom 8. April 1896
H.Gans 9. | 1 Wagen |
J. Müller | 1 Wagen |
L. Schultheis und L. Lind Ahlmühle | 1 Wagen |
Ernst Öchler Bermuthshain | 1 Wagen |
Heils | 1 Wagen |
Schmelze Vaitshain | 1 Wagen |
S. Faits Ahlmühle | 1 Wagen |
Lui Faitz und ich | 1 Wagen |
zusammen | 8 Wagen |
Gesamt-Verbrauch von Sand 15 Wagen, der Wagen kostet 1 M 50 Pfg, macht zusammen
22 M 50 Pfg
Ich bemerke noch ganz besonders, daß sämtliche Kalk- und Sandfuhrleute für Fuhrlohn mir nichts abgenommen haben. Besten Dank.
Am 2. Juli 1896 habe ich 60 ltr Schlackemehl mit Siebenesch und meinem Geschirr in Gedern von der Bahn geholt, es kam der ltr. auf 30 Pfg 18 M
Am 11. Juni wurde unser Neubau durch Zimmermeister Fritz aufgeschlagen und am 27. September kam das Vieh zum ersten Mal in den neuen Stall.
Am 25. Juni 1900 habe ich mit meinem Geschirr 2 neue Französische Mühlsteine an der Bahn in Gedern abgeholt Kosten 300 M
Eine neue Haarschneidmaschine Kosten 5,50
1902 vom Mühlenbauer Schaaf aus Eichenrod ein neues eichenes Wasserrad mit eisernen Schaufel gebaut kosten 300 M
Am 15. April 1902 500 Fichten am Hoherain gesetzt.
Am 30. April nochmal 1000 Fichten am Hoherain gepflanzt.
In 1904 den Mahlboden mit Zement gemacht.
Im Mai 1904 (?) das Wohnhaus gestrichen. Tagelohn pro Mann 2,20 M insgesamt 70 Mark Arbeitslohn. Es wurden verarbeitet 184 Pfund Bleiweiß und 100 Liter Firniß, für Vorderseite und 2 Giebel.
Eine neue Taschenuhr mit echter Nickelkette gekauft für 32 Mark.
1903 eine elektrische Taschenlampe Preis 3 M
1918 Kauf einer neuen Jauchepumpe 120 M
Kauf einer neuen Sämaschine (Hassia) 630 M
Beschreibung des Gebäudes
Das dreiseitige Anwesen der Familie Keißner (Hausname Gläß) liegt im westliche Teil der Grebenhainer Hauptstraße, von der Straße aus blickt man links auf das alte Wohnhaus, rechts auf die Scheune; in der Mitte quer steht der ehem. Pferdestall.
Die Scheune mit Stall (für Kühe und Schweine) ist innen größtenteils offen fürs Heu, nur die tragenden Balken und einzelne Bohlen trennen einen kleinen Bereich im „Obergeschoss“ ab.
Das Fundament ist wie im Vogelsberg üblich aus Basalt gemauert; das „Erdgeschoss“ trägt durchgängig rote Backsteine (die Russensteine). Kleine Fenster tragen gerundete dekorative Rahmen, die Backsteinmuster um die Fenster herum sind unterschiedlich verziert. Am oberen Ende dieser Wand verläuft waagerecht ein Fries aus schräggestellten Backsteinen, durchgehend bis auf das hohe Tor zur Tenne.
Darüber das Fachwerk ist innen ausgefacht mit Tuffsteinen, außen glatt verputzt. Alle Backsteine der Scheune haben die gleiche Länge von ca. 25 cm.
Im Obergeschoss (giebelseitig , zur Hauptstraße hin) war in früheren Jahren ein kleiner Raum, der zeitweilig als Schreinerwerkstatt und mit anschließendem Holz-Lagerraum diente; der Zugang war nur über eine Leiter möglich. Hier gab es kein Tuffmauerwerk, die Seitenwände und Fußboden waren nur durch Holzbretter verkleidet. Der ganze restliche Raum im OG daneben war ein Heuschober; Tuffstein-Gefache unterschiedlicher Qualität und Bauzeit gingen bis unters Dach. Im hinteren Abschnitt hat sich ein altes rundes Holzsilo erhalten, aufrechtstehend wie ein Fass, wohl zur Trocknung und Speicherung von Futtermitteln (Bild 315).
Die Dachbedeckung bestand nur aus einfachen Ziegeln. Es gab dort keine Dämmung o.ä..
Auf dem Boden im EG lagen Ziegel mit Karomuster und Hohlräumen (war wohl Schweinestall); die Decke nach oben wird durch einfache Metallsäulen und waagerechte Doppel-T-Träger gestützt.
Der an die Scheune anschließende Querbau bot neben dem Pferdestall auch Platz für verschiedene Arbeitsräume: direkt neben der Scheune lag auch die „Tenne“ mit dem großen Tor. Die sehr stabile Bauweise mit Querbalken von bis zu 20 cm Durchmesser (Holznägel), bis oben unters Dach ausgeführt, sowie der sorgfältige Verputz der Gefache und die blau-rote Farbe von Tür und großem Tor , weisen auf die Bedeutung des Bauwerks hin. Wann dieser ebenfalls bemerkenswerte Stallbau entstand und welche verschiedenen Funktionen er hatte, ist uns nicht bekannt.
Auch zum altem Wohnhaus selbst liegen uns derzeit keine baugeschichtlichen Daten vor.
Das landwirtschaftliche Tagebuch wurde von dem Landwirt und Müller Christian Keißner (siehe Link) am Ende des 19. Jahrhunderts über alle wichtigen Finanzdinge geführt; hierin wird für das Jahr 1896 erwähnt, dass er „17000 Russensteine“ für den Bau einer Scheune mit Stall gebraucht und in Vaitshain (Entfernung ca. drei km) abgeholt habe. Zu diesem geplanten Bauwerk wurden auch mehrere Fuhren Kalk aus Müs (heute Gemeinde Großenlüder) mit Pferdegespannen angeliefert, sowie acht Fuhren Sand (unklar woher). Diese Arbeiten wurden alle unentgeltlich in Nachbarschaftshilfe geleistet, was Keißner dankbar erwähnt. Keißner hat dann noch Schlackemehl(3) von der Bahn in Gedern mit Pferdegespannen abgeholt und der Bau konnte beginnen. Stolz berichtet er, dass von der Lieferung der Russensteine Ende März 1896 bis zum Aufschlagen des Neubaus durch den Zimmermann nur 8-9 Wochen vergangen sind und dass „das Vieh zum ersten Mal am 27. September in den Stall“ gekommen sei.
Was sind Russensteine?
Dieses Wort war lange Zeit unter Bauhandwerkern in der hessischen Umgangssprache üblich, vor allem in Oberhessen. Es ist aber in keinem Lexikon des 18. und 19. Jahrhunderts verzeichnet. Die Menschen im Vogelsberg verstehen darunter Mauersteine („Ziegel“), die im Feldbrand oder Lehmbrand auf einfachste Weise hergestellt wurden für schmucklose Zweckbauten. Die Herkunft dieses speziellen Begriffs ist unklar, da dieser meist nur mündlich überliefert wurde. Manche haben den „Ruß“ in Verdacht, der beim Brennen des Lehms entsteht, andere denken sogar an die rotbraune Erde („terra rossa“) der alten Römer. Die am häufigsten genannte Vermutung trifft wahrscheinlich zu: Nach den napoleonischen Feldzügen vor rund 200 Jahren seien zwangsrekrutierte Deutsche in russische Kriegsgefangenschaft geraten, wo sie diese spezielle Arbeitstechnik der Mauerziegelherstellung kennenlernten und – nach glücklicher Rückkehr – dann erfolgreich ausübten.
Für diese Wortherkunft spricht auch, dass der Begriff Russenstein in den hessischen Staatsarchiven erstmalig im Jahre 1842 erwähnt wird.(4) Zeitungsberichte aus Frankfurt/Main aus den 1890 er Jahren berichten von mehreren Unfällen mit Russensteinen.(5) Das Wort Russenstein wird, vor allem durch dorfgeschichtliche Forschungen, in ganz süd- und Mittelhessen überliefert, zum Beispiel in Gimbsheim, Dörnigheim, Großostheim, aber auch in Wüstwillenroth im Vogelsberg.
Wie kamen die Russensteine zur Keißnerschen Scheune?
Aber welcher Handwerker, welche Fabrikationsstätte brannte / fertigte diese Steine in Vaitshain? Nachforschungen in den Archiven erbrachten Brennöfen im 19. Jahrhundert in ganz Hessen, aber von einer solchen Feldbrandanlage oder gar einer Ziegelei gibt es bei uns in Grebenhain keinerlei Nachweis – anders als in südhessischen Gemeinden, deren Lokalhistoriker detaillierte Angaben dazu machen konnten.(6,7,8)
Ältere Mitbürger erinnern sich, dass es eine Lehmgrube am nordöstlichen Ortsausgang von Vaitshain gab; neben der Strasse in Richtung Nösberts-Weidmoos (Flurname „Im Biegen“). Der günstige Standort dort wurde dann auch zum Betrieb einer Produktionsstätte von Russensteinen genutzt. Der Besitzer des Betriebs hieß Müller, Hausname „Schmelze“.
Es soll ein Feldbrand-Verfahren zur Ziegelherstellung gewesen sein. Der nach der Trocknung sich anschließende Brennvorgang spricht eher für einen Meiler – aber nicht notwendig für das Vorhandensein eines Brennofens! Davon ist heute nichts mehr zu sehen; auch das Gemeinde-Archiv gibt keine Auskunft. Allerdings hatte ein „Backsteinbrenner“ sein Gewerbe in Vaitshain angemeldet, „ … der aber seinen Betrieb wegen Unrentabilität nach sieben Jahren wieder einstellen musste.“(9) Fertig gebrannte Steine wurden vom eigentlichen Herstellungsort „Im Biegen“ zur gewünschten Baustelle gefahren. Da Lieferung und Baubeginn gelegentlich recht früh im Jahr (März) gewünscht waren, sind diese Steine wohl schon im Vorjahr gebrannt worden. Denn die Brenndauer lag bei ca. zehn Tagen, Trocknungsdauer etwa vier bis sechs Wochen – das ging ja nur bei anhaltend trockener Witterung. Der Ziegelhersteller Müller in Vaitshain hat offenbar Russensteine auch für etliche Häuser in Vaitshain hergestellt.
Getrocknete Ziegel
Ältere Mitbürger erinnern sich, dass einfache Lehmziegel noch nach dem Zweiten Weltkrieg in den Dörfern des Vogelsbergs gefertigt wurden. Diese (Ziegel-)Steine wurden nicht gebrannt, sondern nur getrocknet, sodass sie wegen der geringeren Dauerhaftigkeit nur zum Vermauern von Wänden oder Gefachen der Fachwerkgebäude geeignet waren.
Noch Mitte des 20. Jahrhunderts hat man in Weidmoos zum Beispiel den Lehm geholt und im Hof ausgebreitet, Gerstengranne(10) und Häcksel dazu gegeben und dann ein Rind drüber geführt zum "Mengen" (Mischen) des Lehms. Dieser wurde in eine solche Form (Bild) gefüllt, dann glatt abgestrichen, die entstandenen Ziegel in gewünschter Anzahl aufgeschichtet und etliche Wochen luftgetrocknet.(11) Damit konnte dann zum Beispiel der Schweinestall im Anwesen „Schäffes“ (H. Müller, Weidmoos) vermauert werden, wobei auch Schlacke als Dämmmaterial zum Einsatz kam.
Fußnoten
1) Wenn Bauern nur ein Pferd hatten, so war dies für solch schwere Transporte nicht ausreichend. Dann haben zwei Bauern ihre Tiere "zusammengespannt".
3) Schlacke aus dem Verhüttungsprozess in Eisenhüttenwerken waren, vor allem wenn diese metallarm waren, durchaus begehrt im Straßenbau und in der Landwirtschaft (Dämmmaterial).
4) „Russensteinbrennerei Philipp Rau“ in Nidda, in: Arcinsys Hessen, HStAD Bestand G 15 Buedingen Nr. V 93.
5) Vgl. Alexander Ruhe: Gründerzeitliche Baustellen-Tragödien in Frankfurt. Artikel aus der Reihe: Frankfurter Zeitungs-Archäologie. Januar 2010. http://www.fws-ffm.de/Baustellen-Tragoedien.htm
6) Vgl. https://www.peterheckert.de/maintal/ 22.3.24
7) Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Feldbrandziegel 22.3.24
8) Vgl. http://www.hainstadt-am-main.de/ziegeleien/ziegelei.htm 22.3.24
9) Vgl. Kunze, Eberhard: Vaitshain, ein Beitrag zur Soziographie eines Vogelsbergdorfes; verfasst 1957. Seite 36. Unveröffentlichtes Manuskript, vorhanden im Archiv der Hohhausbibliothek in Lauterbach/Hessen. Der Autor war in den 1950 er Jahren Volksschullehrer in Vaitshain. Warum das fast fertig gestellte Heft nicht seinen Weg in die Buchreihe „Lauterbacher Sammlungen“ gefunden hat, ist nicht bekannt.
10) Grannen bieten dem Lehm-Stroh-Gemisch einen besseren Zusammenhalt.
11) Mitteilung Hof Schäffes , Weidmoos, Heinrich Müller