Gespräch mit Frau Anna Bayer, Crainfeld, am 7.5.18
Geboren ist Frau Bayer im April 1927, als 7j. Kind, und mit der Familie der Eltern von Rixfeld nach Crainfeld gezogen. Nach ihrer Heirat hat sie dort sechs Kinder geboren. Im Dezember 2019 ist sie gestorben.
Frau Bayer wollte eigentlich Schneiderin lernen, aber es gab zu wenig Lehrplätze. Man musste die Lehrherren „schmieren“, um einen Platz zu bekommen, das war für ihre Eltern aber zu teuer.
In ihrer Jugend gab es für junge Frauen nur noch selten die Möglichkeit, bei wohlhabenden Familien als Hausmädchen „in Stellung“ zu gehen.
Daraufhin lernte sie Kindergärtnerin, was ihr auch viel Spaß machte. Dieser Beruf hatte später in Kriegszeiten den Nebeneffekt, dass sie nicht - wie viele andere Frauen - dienstverpflichtet wurde.
Die Lehrzeit absolvierte sie in den Kindergärten in Herbstein und Lauterbach, wo sie mit dem Zug hinfuhr. Der Lehrkindergarten in Lauterbach war in der Rudloser Straße, der Weg zum Südbahnhof nicht weit.
Aber die Zeit war immer knapp, keine Chance für Einkäufe oder Bummeln in der Stadt. Die wichtigsten Einkäufe konnte man ohnehin in Crainfeld selbst erledigen: Kartoffeln gabs von den Bauern, Kohlen in der Kohlenhandlung, Gemüse wuchs im eigenen Grabgarten.
In ihrer Dienstkleidung, einer selbst bestickten weißen Schürze mit blauen Rechtecken, muss sie recht schmuck ausgesehen haben. Bis zu ihrer Heirat hat sie als Kindergärtnerin gearbeitet. Im Kindergarten Crainfeld war sie nur mal zur Aushilfe.
Auf Anregung des Crainfelder Bürgermeisters Wilhelm Fritz wurde Anfang der 1950 er Jahre in Crainfeld eine eigene Dorfwäscherei eingerichtet und Frau Bayer dafür gewonnen. Das war für die wachsende Familie Bayer wichtig, weil Frau Bayers Ehemann zu dieser Zeit arbeitslos war und das Geld knapp. Der Bürgermeister hat mit ihr zusammen sogar eigens einen Betrieb in Bad Vilbel besichtigt. So wurde in den 1950 er Jahren Frau Bayer Wäscherin für Crainfeld im Nebenerwerb.
Eine elektrische Waschmaschine und daneben eine Schleuder standen im Keller der damaligen Schule in Crainfeld.
Die Familien brachten an den beiden wöchentlichen Waschtagen ihre Schmutzwäsche in Körben dorthin und holten die sauberen Stücke nass wieder ab; getrocknet und ggfl. gebügelt wurde zu Hause. Eine Heißmangel gab es nur in Grebenhain.
Einzelne Bürger holten sich nach den Waschtagen die Lauge ab für ihre Handwäsche.
Das Bleichen einzelner Wäschestücke erfolgte auf dem eigenen Grundstück.
Trotz der technischen Neuerungen war die Wäscherei immer noch recht anstrengend.
Die Wäsche wurde mit Henko® eingeweicht, dann mit Persil® gewaschen. Im Keller der Schule standen Wannen zum Wäsche einweichen. In denen hat die Familie Bayer dann auch schon mal gebadet.
Auch Gewerbebetriebe aus Crainfeld, Bäcker und Metzger, nutzten den Waschservice.
Wäsche waschen kostete 50 Pfennige. Die kassierte Frau Bayer und rechnete dann mit der Gemeinde ab.
Aus anderen Dörfern in der Umgebung ist in diesen frühen Nachkriegsjahren ein solcher Wäscheservice nicht bekannt.
Das Geschäft lief anfangs gut, aber nach circa zehn Jahren war Schluss: die Crainfelder Familien hatten dann alle eine eigene Waschmaschine im Haus.
Nach dem Ende des Wäschereigewerbes hatte Frau Bayer selbst eine eigene Waschmaschine angeschafft, die stand bei ihr zu Haus in der Küche.