Sie sind hier
Grebenhainer Bürgermeister

Die Grebenhainer Bürgermeister vom 18. Jahrhundert bis heute

Die folgende Aufstellung soll einen Überblick über die Bürgermeister der Kerngemeinde Grebenhain geben. Die drei Erstgenannten wurden allerdings nicht als Bürgermeister, sondern als „Schultheiß“ bezeichnet.

Der Schultheiß (althochdeutsch: „sculdheizo“, der die Schuld heischt, also Verpflichtungen befiehlt und ihre Einhaltung überwacht) war ursprünglich ein Beauftragter des Landes- bzw. des Grundherren zur Ausübung der Verwaltungshoheit und Rechtspflege. Später war der Schultheiß oft als Vorsteher einer dörflichen Gemeinde (Dorfschulze, Dorfgraf) auch mit der niederen Gerichtsbarkeit betraut.

Das Amt des Schultheißen gibt es seit dem frühen Mittelalter. Bereits seit dem 13. Jahrhundert gibt es regional und dann auch über die Jahrhunderte hinweg starke Unterschiede in Kompetenz, Amtsdauer und Erblichkeit. Man kann aber davon ausgehen, dass die als Schultheiß genannten „Ruhle“ in Grebenhain zum hier interessanten Zeitraum des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts die Funktion eines Bürgermeisters oder Ortsvorstehers wahrgenommen haben. Fraglich ist nur, ob sie darüber hinaus weitere Ämter wie die Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit hatten.

Seit der neuen großherzoglich-hessischen Gemeindeordnung von 1821 gibt es in Hessen nur noch Amt und Titel des Bürgermeisters! Gasthaus zur Krone, erbaut in 1773 von Oberschultheiß Johann Bast Ruhl. Der erste hier aufgelistete Grebenhainer „Bürgermeister“ war Sebastian Ruhl.

Sebastian Ruhl

Geboren ist er am 25. Januar 1722 in Grebenhain, gestorben am 15. Februar 1801 in Grebenhain.

Laut Kirchenbuch war er Gerichtsschöffe ab 1766 und Schultheiß bis 1779. Wann er das Schultheißenamt angetreten hat ist ebensowenig bekannt wie Einzelheiten aus der Zeit seiner Amtsführung.

Das Kirchenbuch weist ihn als „gewesener fürstl. Schultheis“ aus. Fürstlich bedeutet hier vermutlich: im Dienste der Landgrafen von Hessen-Darmstadt.

Im Juni 1779 ist diesem Schultheiß Sebastian Ruhl dann sein Sohn Johann Bast Ruhl „durch ein gnädiges Dekret zur späteren Nachfolge beigegeben worden“.

Eine solche Teilung von Amtspflichten mit dem Ziel, den zukünftigen Amtsträger als „Juniorpartner“ einzuarbeiten, hat es bei größeren Städten seit dem Mittelalter immer wieder gegeben. Bei einem einfachen Schultheißenamt ist dies eher unüblich. Das kann heißen, dass der auf Lebenszeit ernannte Schultheiß – möglicherweise aus gesundheitlichen Gründen – von seinen Amtspflichten zuerst nur teilweise entbunden wurde und seinen Sohn noch eingearbeitet hat.

Sein Sohn wurde also der zweite Grebenhainer Bürgermeister, Johann Bast Ruhl.

Johann Bast Ruhl

Seine Lebensdaten sind: Geboren am 10. März 1748 in Grebenhain, gestorben am 16. August 1828 in Grebenhain.

Er war, ebenfalls laut Kirchenbuch (das unsere Hauptquelle für das 17. und den Anfang des 18. Jahrhunderts darstellt), „Oberschultheis in Grebenhain“ und wird auch als „Landgräflicher Schultheis“ bezeichnet.

Seine Amtszeit dauerte vom 16. Juni 1779 bis 12. August 1813, also 34 Jahre. In diese Zeit fällt die Trockenlegung und wirtschaftliche Nutzung des ehemaligen herrschaftlichen Teiches in 1789.

J.B. Ruhl hat, wie es im Kirchenbuch heißt, „vom Oberschultheiß Carolius per Dekret mit hohem Ansehen nach 34 jährigem Schultheißendienst den Abschied erhalten“.

Sein Nachfolger war wieder ein Ruhl, Johann Basts einziger Sohn, Christoph Ruhl.

Christoph Ruhl

Christoph Ruhl wird im Kirchenbuch als „Bürgermeister, Kirchensenior und Gerichtsschöffe“ bezeichnet. Er ist geboren am 21. Juni 1781 in Grebenhain und gestorben am 5. Dezember 1863 in Grebenhain.

Seine Amtszeit dauerte von 1813 bis 1828, also 15 Jahre lang. Wohn- und Amtssitz aller Ruhl-Schultheißen war das Haus in der Hauptstrasse 35, Hausname „Roans“, die ehemalige Gastwirtschaft „Zur Krone“.

Also drei Generationen von Ruhl als Bürgermeister! Warum dann keine vierte Generation? Nun, Christoph Ruhl hatte einen Sohn, der 21-jährig starb. Außer diesem hatte er „nur“ zwei Töchter. Und abgesehen von allen möglichen anderen Gründen – eine Frau als Ortsvorstand war damals (1828) kaum vorstellbar!

Der Nachfolger im Amt sollte wieder eine „Dynastie“ anführen, denn nun hieß es 80 Jahre lang: „Bürgermeister Jost“. Diese Familie stammte aus einer der Grebenhainer Mühlen, heute „Keißner’sche Mühle“ oder mit Hausnamen Klees genannt. Das Anwesen in der Hauptstraße 45 ziert heute noch ein Mühlstein vor dem Haus. Der erste in dieser Reihe war Johann Ludwig Jost.

Johann Ludwig Jost

Der erste in dieser Reihe war Johann Ludwig Jost, geboren 1791, gestorben 1864. Von Beruf war er Bauer und Müller, so steht es im Ortsbürgerregister.

In seine Amtszeit fällt der Bau der Staatsstrasse von Lauterbach nach Gedern in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts. Grebenhain erhielt eine breite Ortsdurchfahrt. Und in Grebenhain wurde in den 1850er Jahren eine Posthalterei eingerichtet. Seine Amtszeit dauerte 34 Jahre, von 1828 bis 1862!

Peter Jost

Geboren 1813, gestorben 1904 – Er wurde 91 Jahre alt. Als dritter Sohn von Johann Ludwig Jost wurde er nicht Mühlenerbe, sein Beruf ist mit Bauer angegeben.

Seine Amtszeit dauerte 26 Jahre lang, von 1862 bis 1888. Bei Amtsantritt war er 49 Jahre alt und er führte das Bürgermeisteramt bis ins 76. Lebensjahr!

Ludwig Jost II.

Der dritte in der Reihe der „Joste“ war der Enkel des ersten, Ludwig Jost II. Geboren 1843, übernahm er das Amt von seinem Onkel Peter Jost in 1888. Er war Grebenhainer Bürgermeister bis ins Jahr 1910, also 22 Jahre lang.

In seine Amtszeit fällt der Bau der Eisenbahn von Lauterbach nach Gedern, aber auch die Einrichtung einer eigenständigen Wasserversorgung für das Dorf in 1907/08. Jost war ursprünglich Bauer, arbeitete aber auch viele Jahre lang als Schreiber im Forsthaus. Ludwig Jost II. starb 1913.

In Anerkennung seiner Verdienste wurde in Grebenhain die 1911 neu erbaute Ludwigsbrücke nach ihm benannt, wie untenstehender Zeitungsausschnitt beweist. Das ist insofern ungewöhnlich, als man damals Brücken, Strassen und Plätze gerne nach überregionalen Prominenten wie dem Landesvater oder anderen „hochstehenden“ Persönlichkeiten benannte. Beispiel: die Hindenburgstrasse in Ilbeshausen.

Heinrich Lind VII.

Josts Nachfolger war Heinrich Lind VII., geboren am 1. September 1877 in Grebenhain, gestorben im Juni 1951. Sein Wohnhaus stand in der Oberwaldstrasse 3, Hausname Krisjes. Und auch Lind hatte bei Amtsantritt 1910 eine lange Amtszeit von 35 Jahren vor sich.

Ob er sofort nach der Übernahme des Amtes gewählt wurde oder ob er das Amt zuerst kommissarisch führte, ist nicht mehr feststellbar. Ab 1912 wird er jedoch als Bürgermeister genannt. Die Ernennungsurkunde von 1914 (siehe unten) weist jedoch aus, dass er damals nach „ordnungsgemäßer Wahl“ zum Bürgermeister der Gemeinde Grebenhain ernannt wurde.

Während Linds Abwesenheit im 1. Weltkrieg wurden die Amtsgeschäfte vom Gemeinderatsmitglied Hornung übernommen. Im Januar 1919 wurde dieser schriftlich aufgefordert, die „Akten und die Bürgermeistereigeschäfte“ wieder an Lind zurückzugeben. Das Kreisamt dankte Hornung ausdrücklich für eine gewissenhafte Dienstführung.

In Linds Amtszeit fällt u.a. der Anschluss Grebenhains an die Moderne, sprich: das Dorf bekam elektrischen Strom. Der entsprechende Vertrag zur Stromlieferung durch die OVAG wurde 1921 unterzeichnet. Heinrich Lind leitete die Geschicke des Dorfes während der schweren Zeiten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs, also bis 1945. In seiner Amtszeit wurde die erste Flurbereinigung Anfang der dreißiger Jahre durchgeführt.

Erna Lind

Die erste und bisher einzige Frau im Bürgermeisteramt in Grebenhain war Erna Lind, geboren am 7. Oktober 1916, gestorben am 4. Februar 1969.

Sie wurde nach Kriegsende durch die amerikanische Besatzungsmacht auf Antrag des damaligen Landrats Mandt kommissarisch eingesetzt.

Sie war die Tochter des Grebenhainer Metzgers Heinrich Lind, also nicht verwandt mit ihrem Vorgänger Heinrich Lind VII.

Erna Lind wohnte in der Bahnhofstrasse Nr. 37. Das Büro der Bürgermeisterin war gegenüber im Haus Nr. 32, heute Gärtnerei Ritz.

Ihre Amtszeit begann Anfang des Jahres 1946 und dauerte nur wenige Monate. Leider sind weitere Daten aus ihrem Leben nicht mehr aufzufinden.

Durch unsere Recherchen im Gemeindearchiv von Grebenhain fand sich noch die Ernennungsurkunde, siehe nächstes Bild. Diese war in Englisch abgefasst und hatte folgenden Wortlaut:

Betreff: Ernennung des Bürgermeisters für die Gemeinde von Grebenhain und Vaitshain

Vor dem Landrat des Landkreises Lauterbach erscheint
Frl. Erna Lind
geb. 7.10.1916
und wurde ernannt und hiermit vereidigt als Bürgermeister für die Gemeinde Grebenhain und Vaitshain wie folgt:

„Ich schwöre beim allmächtigen Gott, daß ich die Pflichten als Bürgermeister und zivilem Staatsbediensteten getreulich erfüllen werde und ich werde zu allen Zeiten die Gesetze anwenden und ausüben, ohne Furcht oder Begünstigung, mit Recht und Gerechtigkeit gegenüber allen Personen, gleich welcher Herkunft, Hautfarbe oder politischer Meinung sie sein mögen. Daß ich den Gesetzen Deutschlands und allen gesetzlichen Anordnungen der allierten Militärregierung sowohl dem Wortlaut nach als auch im Geiste gehorchen werde, und ich werde stets bemüht sein, Gleichheit und Gerechtigkeit vor dem Gesetz für alle Personen herzustellen. So wahr mir Gott helfe.“

(Unterschrift Erna Lind)

Beschworen vor mir am 17. Tag im Januar 1946

(Unterschrift Tänzer)
Vertreter des Landrats

Otto Stier

Otto Stier, Malermeister, geboren am 26. September 1905, gestorben am 19. März 1995, wurde 89 Jahre alt.

Bürgermeister im Dorf Grebenhain wurde er durch Wahl, der ersten nach dem Krieg, in 1946. Er hatte dieses Amt inne bis 1971, d.h. bis zum Zusammenschluss der umliegenden Gemeinden zur Großgemeinde Grebenhain. Nach der Gebietsreform war er kommissarischer Bürgermeister der Großgemeinde bis 1972. Seine Amtszeit dauerte also 26 Jahre.

Außerdem war er bis 1988 im Gemeindevorstand tätig. Otto Stier hat von 1948 bis 1976 verschiedene Funktionen auf Kreisebene ausgeübt, er war daneben auch Ortsgerichtsvorsteher in Grebenhain von 1946 bis 1994.

Otto Stier förderte nach dem Krieg wichtige Ansiedelungen von Industrie und Gewerbe und legte den Grundstein zu einem Schulneubau für die entstehende Mittelpunktschule. Der von ihm veranlasste Hotelbau im Oberwald führte später zur Gründung der Oberwaldklinik. Sein Nachfolger und damit der erste gewählte Bürgermeister der neuen Großgemeinde Grebenhain war Kurt Süßenberger.

Kurt Süßenberger

Geboren am 2. April 1941 in Eichelsdorf, gestorben am 21. Februar 2002.

Er bekleidete das Bürgermeisteramt der Großgemeinde Grebenhain seit 1972 kommissarisch und wurde im März 1973 zum Bürgermeister gewählt. Das Amt führte er bis 1983, also 11 Jahre lang.

Vorher war er seit 1968 Bürgermeister der damals noch selbständigen Gemeinde Ilbeshausen-Hochwaldhausen gewesen. Er bemühte sich um das Zusammenwachsen der einzelnen Ortsteile zur Großgemeinde Grebenhain und förderte den Fremdenverkehr, nicht nur in Hochwaldhausen.

Manfred Dickert

Manfred Dickert, geboren am 13. September 1955, leitet seit 1983 die Geschicke der Großgemeinde Grebenhain.

Er wurde am 7.11.1983 zum Bürgermeister gewählt. Seine Amtszeit dauerte bis zum November 2013, somit war er volle 30 Jahre im Amt.

Neben der Verbesserung der dörflichen Infrastruktur (Kanalisation) ist ein wichtiger Verdienst seiner Arbeit die Erschließung des östlichen Vogelsbergs für den Tourismus, insbesondere durch seinen unermüdlichen Einsatz für den Vulkanradweg.

Sebastian Stang

Sein Nachfolger wurde Sebastian Stang aus Grebenhain, der sich bei seiner Wahl im ersten Wahlgang gegen drei Mitbewerber durchsetzte. Er ist diplomierter Forstwirt und war zuletzt Projektleiter des Naturschutzgroßprojektes Vogelsberg.

Stang wurde am 12. November 2013 vereidigt.

Bei der Wahl im Mai 2019 wurde er mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt.

Das könnte Sie interessieren

Balthasar Jost

Erhalten Sie einen Einblick in die Geschichte eines Auswanderers und seine Erlebnisse in Nordamerika. Mehr erfahren

Verordnung zum Eichwesen

Eine kommentierte Auseinandersetzung mit der hessischen Verordnung zum Eichwesen aus dem Jahre 1788. Mehr erfahren

Früher/Heute

Eine Gegenüberstellung der Grebenhainer Straßen und Häuser, mit teils über 100 Jahre alten Schwarz/Weiß-Fotografien. Mehr erfahren